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Erinnerungen formen sich aus Stimmen, Formen, Farben, Berührungen, aus dem, was bleibt und dem, was sich entzieht. „What we remember“ versammelt Positionen, die sich mit Erinnerung als Prozess auseinandersetzen – persönlich, kollektiv, fragmentiert oder klar umrissen. Es geht um das Festhalten und Loslassen, um die Schichten des Vergangenen, die sich in Bildern, Formen und Materialien zeigen. Was bleibt zurück? Was wird überlagert? Welche Geschichten erzählen wir uns selbst, und welche verschwinden mit der Zeit?

Mit Arbeiten von…
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Anno Melzer

Ich habe dich in Fotoalben gesucht

Polyester-Organza, Garn

Die Erinnerung fungiert als Näherin.
Und zwar als sehr Launische.
Virginia Woolf: Orlando – Eine Biographie

Ich habe dich in Fotoalben gesucht,
aber die Bilder zeigen nicht das,
was ich an dir erinnere.
Es sind fremde Momente
mit einer vertrauten Person.
Ich fahre die Konturen dieser Vergangenheit nach
und versuche die Ebene dazwischen zu finden.
Dich zu finden.

Carolin Klatte

Die Sprache der Tinte

Steinpapier, Pflanzentinte

Mein Prozess beginnt im Kleinen – mit dem Sammeln von Granatäpfeln, . Aus ihnen gewinne ich Farbpigmente und stelle meine eigene Tinte her. Sie ist der Ausgangspunkt für einen spielerischen Dialog auf Steinpapier – einem Material, das meine Arbeitsweise entscheidend beeinflusst.

Es war ein intuitives Erkunden, ein Dialog zwischen Material und Oberfläche, zwischen Kontrolle und Zufall. Die Tinte und das Papier schien ein Eigenleben zu führen, das mich immer tiefer in ihren Bann zog.

Elisa Böhmer

Ich pflück mir die Sterne vom Himmel

Baumwollgaze, Stickgarn

DIE ERINNERUNG: Alles beginnt mit dieser einen Erinnerung. Es ist warm und die Sonne scheint. Ich laufe über die braun glänzenden Fließen. Hier und da sprießen ein paar Pflänzchen durch die Ritzen. Eine andere Erinnerung schießt mir durch den Kopf. Ich als Kind, am Rande der Terrasse kniee auf dem Boden und pflücke mir ein paar winzig kleine Walderdbeeren. Ganz intensiv schmecken sie. Du, immer dort an diesem Ort. Auf dem Sofa, ich öffne die Tür und da sitzt du. Schaust verträumt aus. Du siehst mich und du strahlst mit deinen Augen und all den feinen Fältchen drumherum. „Ach Elisje!“. Die Erinnerungen an dich sind mit jeder Faser dieses Ortes verwoben. Du warst immer an diesem Ort. Verhaftet. Ich weiß noch, dass ich es kaum glauben konnte, wenn ich als Kind Bilder von dir gesehen hab, auf denen du an anderen Orten warst als Zuhause. Und ich, ich habe vor ein paar Monaten Bereal von meinem Handy gelöscht, weil es mich deprimiert hat, dass all meine realen Momente zuhause auf dem Sofa waren. Schön bequem hier! Aber auch so unspektakulär. Ich will ja was erleben, ich möchte mich weiterentwickeln, ich möchte nicht stehen bleiben. Ich bekomme zunehmend Angst vor dem Altern. Denke ich. Dachte ich. Dann habe ich realisiert, dass es nicht per se das Altern ist. Es ist der Stillstand, vor dem ich Angst habe. Es ist Engstirnigkeit und Angst vor Veränderung, vor der ich Angst habe.

DAS STICKEN UND DIE DEPRESSION: Das Private, das Häusliche, der Haushalt. Der eigene Körper und der vertraute Wohnraum, das Zuhause sind die intimen und materiellen Bühnen der Depression. Depression als die Auswirkungen unserer Erfahrungen von Welt. Auswirkungen auf den Körper, die Gefühle und die Psyche. Wir bringen sie mit nachhause, die Depression. Lethargie, ein Taubheitsgefühl, Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Angst. Ich denk an dich und ich sticke. Die repetitive Arbeit des Stickens beruhigt mich. Die Nadel sticht durch den Stoff und zieht den endlos langen Faden hinter sich her. Ich brauche Ruhe und Geduld, sonst verheddert alles, es bilden sich Knoten. Knoten in meinem Kopf. Es fällt mir oft schwer einen nach dem anderen Gedanken zu denken, sie verheddern sich und ich verliere mich. Durch diese zeitdehnende Tätigkeit kommen auch die schnellen Gedanken zur Ruhe. Ich frage mich, wie es in dir aussah, wenn du so regungslos dasaßt. Warst du im Inneren auch so ruhelos?
Ich sitze hier und mit all den Gedanken und Erinnerungen ist mir eins plötzlich ganz klar: Mir geht es gut.

Linda Fröhlich

XXX

Leinwand, Ölfarbe

Liebes Tagebuch,
Heute habe ich den Raum wieder betreten. Diesen Raum, den ich nur allein betrete, der sich hinter meinen geschlossenen Augen verbirgt. Dort warten sie – die Objekte. Ihre Formen sind vertraut, und doch scheint es jedes Mal, als wären sie ein wenig anders – schimmernd, weich, kühl, feucht unter den Fingern.

Ich habe eine von ihnen berührt, ihn in die Hand genommen. Es war, als könnte ich eine alte Erinnerung greifen – eine, die mir nicht wirklich gehört, die nur in diesem Raum lebt. Vielleicht war es nie wirklich ein Moment, sondern nur die Vorstellung davon. Und doch war sie da, vibrierend und nah, ganz für mich alleine. Ohne Scham oder Urteil kann ich mir ihr nähren.
Ich weiß nicht, wie lange ich in diesem Raum blieb. Zeit hat hier keine Bedeutung. Nur die Texturen und Bewegungen zählen.

Jetzt, wo ich wieder hier sitze und schreibe, frage ich mich, was ich eigentlich gesucht habe. Vielleicht war es nichts Bestimmtes. Vielleicht nur den Raum selbst, diesen kleinen, verborgenen Teil von mir. Und wenn ich meine Hände betrachte, glaube ich fast, sie erinnern sich besser daran als ich.

Bis bald, ich empfehle mich!

Lydia Meißner

Dazwischen

Diarahmen, Folie, Transparentpapier

Licht und Schatten spielen miteinander.
Überlagerungen formen ihre eigene Realität.
Farben bewegen den Blick.

Die Augen tasten sich voran,
suchen nach einer Berührung,
die mehr ist als nur ein Bild.

Ermessen, abwägen, austarieren
zwischen dem, was ist
und dem, was wir zu erkennen glauben.

Verschwommenes wird greifbar.
Wahrnehmung formt sich –
doch niemals ganz, niemals eindeutig

Magdalena Vogt

4 Frauen. Einkörper.

Digitaldruck, Collage

Hebmi.
Sagt niemand zu mir.
Und ich halte euch auch nicht.
Hebmi, kann ich so lange nicht sagen, bis eine von euch es tut.
Wir halten uns selbst.
So wie wir es gelernt haben. So haben wirs gelernt.
Trotzdem trage ich euch
Trage alles, was ihr fühlt
Fühle alles, was ihr tragt.
Trage euch in mir.
Was verbindet uns eigentlich, außer Haut, Hände, Haar, Harz, Härte
Aus demselben Holz, aufs gleiche Papier.
Das eint.
Und Blut? Wir fahren getrennte Blutbahnen.
Aber kommen alle aus Derselben.
Aus einem Körper. Aus einer Liebe. Haha.
Die Liebe verbindet uns verbindlich bindet sie uns an uns.
Irgendwas an ihr ist nicht freiwillig, trotzdem bin ich willig zu geben, zu halten und…
Zu nehmen.
Schtopp. Schtimmt it.
Wenigstens willig zu lernen anzunehmen.
Oir braucht es dafür.
Wieso verlangt es so viel Mut Zartheit zu sein?
Das ist keine Frage.
Kaasch loslassa.
Aber wie?
Oifach so.
So leicht kann Loslassen sein, wenn mensch es loslässt.
Was mensch loslässt, fällt. Fängt dann an zu schweben.
Unsere Formation löst sich langsam auf. Gerade noch Sommer und Starre, jetzt Winter und Milde.
Es bleiben die Spuren, tiefe Furchen, auf unserer Haut, aber fasse ich sie an, werden sie weich, sogar warm, sogar schön, bald spannend.
Die Aussicht zeigt:
Ich bin. Ich atme.

Natalia Olszewska

Ohne Titel

Faden, Draht, Fotoalben

Wie kann man eine Verbindung zu Erinnerungen herstellen, die nicht von einem selbst stammen? Ist das überhaupt möglich?

Familienfotoalben, die ihrer ursprünglichen Besitzer beraubt wurden, wandern von Second-Hand-Läden zu Flohmärkten. Was sind sie jetzt? Was ist ihre Funktion und ihr Ziel? Die in ihnen verborgene Geschichte fordert mich auf, bei ihr stehen zu bleiben und sie auf mich wirken zu lassen, während gleichzeitig jede Art von rationalem Zugang unmöglich erscheint. Die Arbeit wird zu einem Versuch, mit ihnen in einen Dialog, eine Beziehung zu treten, die über das Verstehen und Wissen hinausgeht.

Paula Klompmaker

Memory lane

Alte Tapete, Acryl, Pigment und Salz

Liegt in der Luft wie der Duft von schweren, bunten Blumen.
Bricht durch Kristalle das goldene Licht.

Kommt in Bildern, in Perlen, die zwischen weiche Hände gleiten.
Rauscht wie Sekt an warmen Abenden, wo die Sonne als roter Ball am Horizont zerfließt und die Welt in schillernden Farben ertrinkt…
Schmeckt nach Salz, nach Tränen. Nach dem Salz des Meeres, das alles trägt, was die Jahre nicht halten können und es konserviert.
Flüstert von Gewittern über der Stadt, von Tropfen, die gegen Fensterscheiben tanzen, vom Kerzenschein im Erker.
Vom Fluss der funkelnd in der Ferne liegt, wie das Sternenlicht –
erzählt Geschichten darüber, was einmal war.

Sie bewahrt kleine Dinge als Schätze und hält sie fest mit ehrfürchtiger Hand.
Sie hat eine fragile Textur.
Sie ist ein Zustand, ein unbekannter Zwischenraum.
Nie ganz, nie statisch.

Ich zerreiße sie in Stücke und setze sie neu zusammen.
Versuche sie zu halten, trage sie an die Orte, aus denen sie wächst.
Überlasse sie dem Wind.
Überlasse sie der Erde.
Überlasse sie dem Meer,
bis der Sturm ihre Spuren verwischt.

Sinja Grubert

Synapsen Meer

Aquarell, Fineliner auf Folien gedruckt

Ein Meer aus Synapsen, zusammen verbunden
Am Anfang ein Muster, gefaltet, gewunden
Ein Funke Gedanken, er zögert, er zittert
Er bahnt sich die Wege, verirrt sich, erwacht dort

Was wird nur passieren, wenn er geht oder schwindet?
Vielleicht kommt der Tag, wo sich Neues verbindet?
Verknüpfungen blitzen, ein flüchtiger Fluss,
Es flackert, es dreht sich und sucht seinen Schluss.

Und manchmal passiert es, Gedanken verschwinden,
Doch dann kommt sie plötzlich, die Zeit zu erfinden
Jede Erkenntnis ein leuchtender Strang,
die Äste, sie wachsen in vernehmlichem Klang.

Denn Wissen ist Hunger, es dehnt sich und frisst,
es speichert, es ordnet, es isst und bemisst
Es gräbt sich durch Falten, durch Windung und Raum,
ein wachsendes Muster, ein endloser Traum.

Vergessen, ein Schwinden, das leise verrät,
dass jeder Verlust auch ein Wachstum erspäht.
Ein Wachstum, das kreist, das stets sich erhellt,
ein leuchtendes Netz in der dunklen Welt.

So tanzen Synapsen, sie formen, sie brechen,
sie flüstern, sie löschen, sie ordnen, verflechten.
Und tief in den Furchen, verborgen, versteckt,
wächst stetig was Neues- das Denken das wächst.

Sofia Baronner

Kalte Schnauze

Alltagsgegenständen, Window Color

Eine kleine Illusion, 2D Kalte Schnauze wird 3D Kalte Schnauze, der Teller gehört Oma Renate, Tante Inge und Danuta zugleich, vielleicht sogar Wolfgang. Alles wie früher, quasi. Bis es abfällt, dann war der Untergrund schon zu fettig oder zu staubig. Wie erinnerst du Kaffee und Kuchen bei Oma und Opa? Bau es nach.